Finanziell?
Trabandt: Nicht immer nur das Finanzielle vorschieben. Es hängt ganz viel von Mitgliederzahlen ab. Tradition bezahlt keine Trainergehälter und Infrastruktur. Wir haben von Jahr zu Jahr sinkende Mitgliederzahlen. Demnächst hätten wir die Schmerzgrenze erreicht. Klar haben wir rote Zahlen. Aber wir haben investiert. Die Wirtschaft übt auch Druck aus. Viele Sponsoren stehen nicht mehr auf das Modell mit zwei Vereinen in der Stadt Stade.
Warum sind Güldenstern denn so viele Mitglieder weggelaufen?
Trabandt: In unseren Abteilungen bricht der Nachwuchs weg. Wir haben es nicht geschafft, attraktiv zu wirken. Nur die Kernsportart Fußball funktioniert noch und der Gesundheits- und Seniorensport. Alles andere bricht immer mehr weg. Zuletzt Kegeln und Volleyball. Dann hast du schnell 100 Mitglieder weniger.
Brokelmann: Die Fusion zielt nicht nur auf Fußball ab. Eine Qualitätssteigerung im Herrenfußball kann ein erfreulicher Nebeneffekt sein. Auch der VfL muss eine gewisse Mindestmitgliederzahl haben. Unter 4000 plus können wir Verwaltung, hauptamtliche Lehrkräfte oder Anlagen nur schwer bezahlen. Wir müssten Abstriche in der Qualität machen. Wir können uns als Sportverein nur behaupten, wenn wir qualitativ Hochwertiges anbieten. Wir stehen in Konkurrenz mit Fitnessstudios. Dafür bietet uns die Fusion einen größeren Handlungsspielraum. Wir liegen bei gut 5000 Mitgliedern, wir können Synergieeffekte in der Verwaltung erzielen, Angebote aufeinander abstimmen, wir bekommen zwei Tennisplätze dazu und wir können Hallenzeiten besser aufteilen. Schauen Sie sich mal um. Alle Vereine in der Größenordnung von Güldenstern haben Schwierigkeiten. Der Druck der Hauptamtlichkeit ist da. Die ist in diesen Größenordnungen kaum zu gewährleisten. Deshalb brauchen wir größere Einheiten. Ich denke, das war noch nicht der letzte Verein, der ähnliche Entscheidungen treffen muss.
Sie sind also für weitere Aufnahmen aus dem Stader Stadtgebiet offen?
Brokelmann: Ja
Ist ja interessant, gibt es da Gespräche?
Brokelmann: Ganz lose. Aktuell habe ich ein Gesprächsangebot. Dabei geht es darum, etwas zu erhalten. Die Ortschaftsvereine sind erst mal außen vor. Denn in einer Ortschaft muss man andere Ansprüche erfüllen, was soziales Gefüge angeht. Wiepenkathen, Bützfleth oder Hagen würde ich nicht für potenzielle Partner halten.
Abgesehen davon, was ändert sich für die Mitglieder? Merken die die Fusion überhaupt?
Trabandt: Das war ja ein Argument in unserer Präsentation. Die Güldensterner bekommen ein breiteres Sportangebot für einen fast identischen Mitgliedsbeitrag. Wir haben unseren Mitgliedern die VfL-Strukturen aufgezeigt. Viele sagen, Mann, die sind ja richtig gut aufgestellt. Das ist ein Riesenunternehmen.
Brokelmann: Bei uns werden es die Fußballer merken. Da gibt es Umstellungen. Was auch gut ist. Da gibt es Aufbruchstimmung. Im Breitensport wird alles erst mal nebenher laufen, bis irgendwann vielleicht Gruppen zusammengelegt werden.
Gemischte Gruppen mit Vflern und Güldensternern?
Brokelmann: Keine gemischten Gruppe, sondern natürliche Gruppen.
Also alles Stader sozusagen?
Brokelmann: Ja genau. Darum geht’s.
Trabandt: Wir wollen den Sport nicht neu erfinden. Vieles soll bleiben, wie es ist. Mit den Gruppen, mit den Trainern, Übungsleitern und Sportstätten. Wir wollen nicht alles umkrempeln.
Aber im Fußball krempeln Sie ja ganz schön um.
Trabandt: Da gibt es auch Handlungsbedarf, oder?
Wenn Sie das sagen...
Brokelmann: Wir krempeln im Herrenbereich um. Der JFV macht unter VfL Güldenstern Stade genauso weiter.
Da gib’s doch bestimmt Konfliktpotenzial?
Brokelmann: Ja. Es gibt immer welche, die auf dem Feld stehen und welche, die nicht auf dem Feld stehen.
Richtig. Der Stab wird neu besetzt oder umgekrempelt. Und die Spieler?
Brokelmann: Das hat im Zweifel nicht einmal was mit der Fusion zu tun. Wenn wir uns allein neu aufgestellt hätten, wäre genauso viel Konfliktpotenzial da gewesen.
Trabandt: Wir müssen der Jugend in Stade eine Plattform geben. Die ist derzeit nicht gegeben. Wir betreiben Monsterarbeit im JFV und die Herren spielen in der Bezirksliga. Das ist nicht abwertend gemeint, aber auch keine echte Perspektive für die richtigen Talente.
Die Perspektive ist die Landesliga und mittelfristig die Oberliga?
Brokelmann: Das ist klar beantwortet worden. Nur, wenn die Fußballer in der Lage sind, externes Geld einzuwerben, wird es diesen Schritt geben.
Dann müssen sich Rigo Gooßen und D/A also warm anziehen?
Trabandt: Nein, ein Vergleich ergibt keinen Sinn. Wir sind dabei, Sponsorenkonzepte auszuarbeiten. Mal sehen, was dabei rauskommt.
Gibt es überhaupt Signale aus der Wirtschaft?
Trabandt: Im Vorfeld haben einige gesagt, sie könnten sich vorstellen für einen Gesamtverein Geld zu geben. Jetzt wird es sich zeigen, wenn wir da auflaufen.
Jetzt kommt es also zum Schwur...
Trabandt: Jetzt sagen Sie wahrscheinlich, was habt ihr denn da gemacht (lacht). Wir haben unseren Job gemacht. Mal sehen, ob einige Sponsoren zu ihrem Wort stehen.
Viele Vereine putzen die gleichen Klinken wie Sie. Die Fredenbecker Handballer wollen in die 2. Bundesliga.
Brokelmann: Der Kuchen wird nicht größer. Er wird nur anders verteilt. Die anderen VfL-Abteilungen haben jahrelang profitiert, weil es die Fußballer nicht geschafft haben, höherklassig zu spielen. Das kehrt sich möglicherweise wieder um. Nicht alle schreien hurra, wenn es dem Fußball besser geht. Aber er ist das Aushängeschild.
Die Ehe ist vollzogen, wer hat denn jetzt die Hosen an?
(Stille)
Brokelmann: Noch sind wir ja in den Flitterwochen.
(Stille)
Trabandt: Eigentlich ist das überhaupt gar kein Thema. Wir müssen zwei Traditionsvereine verknüpfen. Es ist ein Miteinander. Es gibt den 1. Juli. Dann gibt es feste Strukturen im VfL. Güldenstern wird sich zu 100 Prozent einfügen.
Das heißt, Güldenstern muss sich keine Sorgen machen, dass er im großen VfL untergeht?
Trabandt: Wir müssen uns von diesem Gedanken trennen – Güldenstern und VfL. Wir werden eins.
So weit, so gut. Was war in der Rückschau die höchste Hürde, die Sie nehmen mussten?
Brokelmann: Wir dachten, die höchste Hürde wäre das Traditionsbewusstsein der Güldensterner. Darüber haben wir uns am Anfang die meisten Sorgen gemacht. Zwischendrin gab es mal die Sorge um die Akzeptanz bei den VfL-Abteilungen, die nicht betroffen sind. Oder, ob wir die Fußballer überzeugt bekommen. Im Nachhinein haben wir uns mehr Sorgen gemacht als nötig.
Und wo gab es die größten Widerstände?
Trabandt: Echte Widerstände haben wir nicht gehabt. Am Anfang hat eine gewisse Unkenntnis vielleicht Angst bei den Güldenstern-Mitgliedern geschürt, weil sie in den VfL-Strukturen nicht drin steckten. Aber der Informationsabend auf der Camper Höhe hat unheimlich viel gebracht. Da merkten ganz viele, was der VfL überhaupt für ein Verein ist. Der Präsident hat damals überzeugt mit seiner Menschlichkeit, seiner Authentizität und seinem Fachwissen. Der Abend hat vielen Güldensternern die Augen geöffnet. Mensch, mit dem VfL kann man wirklich fusionieren.
Okay, dann fragen wir eben konkret: Stimmt es, dass Sie fast bis zum letzten Tag bei der ein oder anderen Fußballmannschaft Überzeugungsarbeit leisten mussten?
Brokelmann: Gehört habe ich das auch. Aber immer, wenn ich dem nachgegangen bin, war da nichts dran. Mir ist zwei Tage vor der Jahreshauptversammlung gesagt worden, alle Basketballer würden gegen die Fusion stimmen.
Ihre Basketballer?
Brokelmann: Genau die. Irgendjemand wusste gar nicht, dass ich aus der Basketball-Abteilung komme und ich es natürlich gewusst hätte, wenn da Widerstände gekommen wären. So etwas wird dann einfach erzählt. Genauso war es bei der zweiten und dritten Fußballmannschaft bei uns und bei Güldenstern. Letztendlich kam dann heraus, dass sich ein oder zwei Leute kritisch geäußert haben, weil sie sich in einer anderen Mannschaft wiederfinden, in der sich nicht spielen wollen. Am Ende zeigen die Abstimmungsergebnisse, dass es keine wirkliche Opposition gab.
Sie haben sich also mehr Sorgen gemacht als notwendig?
Brokelmann: Das glaube ich nicht. Weil wir uns Sorgen gemacht haben, waren wir so überzeugend in unseren Argumenten. Wir haben alle möglichen Sorgen aufgegriffen. Das war im Vergleich zu den bisherigen Fusions-Versuchen die große Stärke. Wir haben alle möglichen Schwachpunkte aufgegriffen und Lösungsansätze präsentiert.
Trabandt: Beim Informationsabend saßen genug Mitglieder, die echt schwere Fragen hatten, aber dieses Konzept hat unheimlich viel beantwortet.
Bei der VfL-Jahreshauptversammlung haben Sie, Herr Trabandt, gesagt, bei den Arbeitskreisen ging es zur Sache. Aber sie haben sich immer getroffen. Gab es auch faule Kompromisse?
Trabandt: Ich finde es gut, wenn jeder seine Ansicht vertritt. Aber ich gehe nach drei Stunden am liebsten mit einem Ergebnis aus dem Raum. Das haben wir immer geschafft. Es wurde nicht nachgetreten, es wurde woanders nichts Negatives erzählt. Zu 95 Prozent war alles positiv. Deswegen waren die Arbeitskreise ein wichtiger Schlüssel für das Gelingen der Fusion, allein schon wegen des tollen Konzepts, was sie erstellt haben.
Wenn das jetzt alles so reibungslos klappt, was ist in der Vergangenheit schief gelaufen, dass die Fusion nicht funktioniert hat?
Brokelmann: Die Vorstände haben sich auf Vorstandsebene zusammengesetzt und nicht frühzeitig die Mitglieder mit einbezogen. Vielleicht war die Zeit auch nicht reif. Diesmal haben auf beiden Seiten die handelnden Personen früh für Akzeptanz bei den Mitgliedern gesorgt.
Trabandt: Wir hatten eine absolute Transparenz.
Waren das alles Ihre eigenen Ideen? Fühlten Sie sich manchmal allein gelassen?
Brokelmann: Wir haben es innerhalb der Vereine geregelt. Wir haben die Stadt informiert. Wir hatten auch keinen externen Moderator. Wir haben uns dagegen entschieden, weil wir glaubten, genug Vertrauensbasis zu haben, es ohne machen zu können. Wenn wir uns verhakt hätten, wären wir auf den Kreissportbund zugegangen. Aber die Kompromissfähigkeit war auf beiden Seiten groß genug.
Hätten Sie mehr Unterstützung von der Stadt gewünscht?
Trabandt: Ich persönlich nicht. Es bringt ja nichts, wenn Externe ihren Stempel aufdrücken. Gerade bei Güldenstern geht es um Stimmung, da gibt es Emotionen. Und wenn dann ein Externer sagt, wir müssen rechts herum gehen, dann haut das nicht immer hin. Wir haben ein gutes Gefühl für unsere Mitglieder und wissen, wie wir das moderieren mussten.
Brokelmann: Der umgekehrte Weg hat in der Vergangenheit immer zu mehr Widerstand geführt. Sei es durch Sponsoren oder die Stadt oder durch die Presse. Dann war immer eine Abwehrreaktion zu beobachten.
Wir werfen noch ein Reizwort in die Runde: Ist es ein Meilenstein oder ist es kein Meilenstein? Unser Kollege Jan Bröhan war der Meinung, es ist keiner, weil die Fusion aus der Not geboren war.
Brokelmann: Gut, man kann ja nichts dafür, dass ein Sportreporter keine Ahnung hat (lacht). Er hat es daran festgemacht, dass es beim Fußball eher hätte passieren sollen. Ich glaube mit Blick auf die historische Entwicklung, muss man das einordnen. Vor 50 Jahren haben sich Güldensterner und VfLer Särge vor die Tür gestellt. Jetzt gab es fast einstimmige Beschlüsse. Unsere Vorgänger hatten sehr gute Ideen, haben es aber trotzdem nicht hinbekommen. Ich glaube schon, es ist ein Meilenstein. Es war eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft.
Trabandt: Es war absolut ein Meilenstein. Nicht viele habe daran geglaubt.
Vielleicht können wir das in zehn Jahren besser einordnen. Wie sieht denn dann der VfL Stade aus?
Brokelmann: Ich hoffe, dass er sich stabil bei 5000 Mitgliedern gehalten hat, dass wir moderne Sportanlagen in der Stadt haben und dass es uns im Verein gelingt, die Veränderungen im Sport hinbekommen zu haben.
Trabandt: Ich habe das kurzfristige Ziel der Integration der Güldensterner in den VfL.
Und Ihre Namen werden im nächsten Jahrzehnt in diversen Stader Chroniken auftauchen?
Brokelmann: Wahrscheinlich. Ich bin persönlich stolz, dass es geklappt hat. Vor der Informations-Veranstaltung bei Güldenstern habe ich ganz schlecht geschlafen und manchmal kamen Zweifel. Aber es war so einhellig. Darauf bin ich stolz.
Quelle / Autoren: Stader Tageblatt / Daniel Berlin und Lars Strüning